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Carnivora und Carnivore. Und was hast das mit dem Hund zu tun?

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Inhaltsverzeichnis

  • Die Vielfalt der Ernährungsweisen in der Familie der Caniden
  • Die ökologische Nische des Haushundes
  • Eine genetische Betrachtung
  • Amylase-Kopienanzahl im Wandel der Zeit
  • Die Anpassung des Haushundes

Die Vielfalt der Ernährungsweisen in der Familie der Caniden

Der domestizierte Haushund lässt sich der biologischen Ordnung der Carnivora zuordnen, was übersetzt Raubtier bedeutet und ein wertfreier Begriff in Bezug auf seine Nahrung ist. Raubtiere könne sich je nach Spezies auch überwiegend pflanzlich ernähren, wie z. B. der Pandabär, dessen Nahrung zu 99% aus Bambus besteht, mischköstlich, wie beispielsweise der Fuchs oder von Lebensmitteln tierischer Herkunft, wie die Katze. Innerhalb der Gattung der Caniden – zu denen sowohl der Fuchs, Wolf, Dingo, Schakal, Kojote und auch Hund zählen – existiert eine Varianz an Ernährungsweisen.

So ist es allgemein bekannt, dass der Fuchs zu den sogenannten Allesfressern zählt, sich also sowohl von Lebensmitteln pflanzlicher als auch tierischer Herkunft ernährt. Obwohl der Haushund ebenso wie der Wolf über 42 Zähne verfügt, bedeutet dies nicht, dass diese beiden Tiere die gleiche Art der Ernährung aufweisen. Auch der oftmals angebrachte Zusammenhang zwischen den beim Hund vorhandenen Reißzähnen und der Ernährung macht wenig Sinn. Denn auch der große Pandabär weist diese auf. Die Reißzähne sind Überbleibsel der Vorfahren des Haushundes und keine Indikatoren für die Ernährungsweise.

Panda frisst Bambus

Die ökologische Nische des Haushundes

Wie sich ein Tier ernährt, hängt unter anderem von der über lange Zeit bestehenden ökologischen Nische ab. Als ökologische Nische bezeichnen Coppinger und Coppinger ein Stück Land, das die für das Überleben einer Art erforderlichen Ressourcen bietet. Die ökologische Nische des domestizierten Haushundes ist seit etwa 40.000-100.000 Jahren in der unmittelbaren Nähe des Menschen und damit äußerst stabil. Zudem impliziert die Kategorie der domestizierten Tiere, dass sie von menschlichen Ressourcen abhängig sind.

Der Hund hat sich im Laufe der Domestikation an seine Umgebung angepasst. Als die Menschen vor etwa 10.000 Jahren anfingen, Ackerbau zu betreiben, passte sich auch der Hund an das veränderte Nahrungsangebot der Menschen an. Fleisch war lange Zeit sehr rar und wertvoll, weshalb Hunde viel Getreide gegeben wurden, während Fleisch den Menschen vorenthalten war. Es existieren sogar die Bezeichnungen “Hundebrot” und “Hundekuchen”.

Straßenhund 3
Straßenhund 1
Straßenhund 2

Eine genetische Betrachtung

In dieser Grafik wurde die Weltkarte in die Regionen Südwestasien, Südasien, Afrika, Ostasien, Südostasien, Mittelamerika, arktisches Amerika, Australien, arktisches Asien und Europa eingeteilt. Die Regionen, die in dieser Untersuchung erforscht wurden, sind farblich markiert. Durch die gestrichelten Linien wird die Ausdehnung der vorgeschichtlichen Landwirtschaft repräsentiert. Rot sind hierbei Regionen, die Landwirtschaft betrieben haben und blau solche, in denen die Menschen dies nicht taten.

Die Zahlen zeigen die durchschnittliche Anzahl der Anzahl an Amylase-Kopien dar. Es fällt auf, dass Hunde, die in Gebieten, in denen Getreide oder Reis zum Nahrungserwerb betrieben wurde wesentlich mehr Kopien des stärkeaufspaltenden Enzyms aufweisen, als in solchen, in denen dies noch nicht der Fall war. Durch die Anpassung an die verfügbare Nahrung entwickelte der Hund – je nach Region und somit Ernährungsweise – unterschiedlich gute Möglichkeiten, Stärke aufzuspalten.

Genetische Betrachtung Abbildung

(Quelle Grafik: Axelsson et al: Diet adaptation in dog reflects spread of prehistoric agriculture; 2016; https://www.nature.com/articles/hdy201648; aufgerufen am 29.01.2023)

Amylase-Kopienanzahl im Wandel der Zeit:

Ernährungsgewohnheiten und Herkunft im Fokus

Variationen der Amylase-Kopienzahl Abbildung

(Quelle Grafik: Axelsson et al: Diet adaptation in dog reflects spread of prehistoric agriculture; 2016; https://www.nature.com/articles/hdy201648; aufgerufen am 29.01.2023)

In dieser Grafik sind unterschiedliche Hunderassen untersucht worden, die in den geografischen Gebieten der oberen Grafik typischerweise vertreten waren (X-Achse).

Die dicken schwarzen horizontalen Linien repräsentieren den Median. Wie zu erkennen ist, verfügen Hunderassen wie der Dingo in Australien oder der Sibirische Husky über wesentlich weniger Amylase Kopien als solche Rassen, deren Historie der Ernährung über lange Zeit aus Getreideprodukten Bestand hatte. Beispiele hierfür sind der Rottweiler, der aus Deutschland stammt oder Chihuahua aus Mexiko.

Außerdem lässt sich aufzeigen, dass die Varianz der Kopienanzahl des Amylasegens auch innerhalb der Hunderassen sehr groß ist.

Exkurs: Der Median ergibt sich, wenn man alle Zahlen einer Gruppe in aufsteigender Reihenfolge angibt und die Zahl in der Mitte nimmt, wohingegen der Durchschnitt errechnet wird, wenn alle Zahlen zusammengezählt und die Summe davon durch die Anzahl der Werte geteilt wird. Beispielsweise ist der Median 89, wenn wir die Zahlenfolge 1; 3; 9; 89; 100; 176; 5000 als Beispiel nehmen, während der Durchschnitt dieser Zahlenfolge bei 768,2 liegt.

Die Anpassung des Haushundes

Fazit

So entwickelte sich der Hund im Gegensatz zu seinem Vorfahre, dem Wolf, zu einem Allesfresser. Für ihn sind stärkereiche Lebensmittel gut verdaulich und deshalb als Nahrungsmittel in der Hundeernährung vertreten.

Laut Jürgen Zentek ist „sein [des Hundes] Verdauungskanal und Stoffwechsel […] nicht so extrem auf die ausschließliche Aufnahme von Nahrungsmitteln tierischer Herkunft fixiert wie bei anderen Carnivoren“.

Laut Dr. Julia Fritz, Fachtierärztin für Tierernährung, können sich Tiere entweder anatomisch verändern oder, wie es beispielsweise beim Haushund der Fall ist, funktional. Haushunde haben sich durch die Ausbildung des stärkeaufspaltenden Amylase-Enzyms an eine mischköstliche Ernährung angepasst, obwohl die Anatomie ihres Verdauungsapparates, wie beispielsweise die Darmlänge, über die vielen Jahre der Domestikation ähnlich geblieben ist.

Eine Zusammenfassung:

  • Haushunde haben erstaunliche Anpassungsfähigkeiten an die Ernährung des Menschen entwickelt.
  • Ihre ökologische Nische ist geprägt von sozialer Natur und Instinkten zur Nahrungssuche.
  • Die lange gemeinsame Geschichte von Mensch und Hund spiegelt sich in ihren Anpassungen wider.
  • Haushunde haben von unserer Nahrung profitiert und zu unserer kulturellen Entwicklung beigetragen.
  • Sie haben ihre Ernährungsgewohnheiten im Laufe der Zeit geändert, von Fleischfressern zu Allesfressern.
  • Die ökologische Nische des Haushundes und seine Anpassungen betonen die enge Beziehung zwischen Mensch und Hund.
  • Wir sollten sicherstellen, dass unsere Haustiere eine ausgewogene und gesunde Ernährung erhalten.
  • Die Beziehung zwischen Mensch und Hund ist von großer Bedeutung und sollte geschützt und gepflegt werden.

 

Quellen:

  • Tonoike et al: Copy number variations in the amylase gene (AMY2B) in Japanese native dog breeds; 2015 (https://agris.fao.org/agris-search/search.do?recordID=US201600132605) aufgerufen am 29.01.2023
  • Axelsson et al: Diet adaptation in dog reflects spread of prehistoric agriculture; 2016; (https://www.nature.com/articles/hdy201648) aufgerufen am 29.01.2023
  • Murray et al: Evaluation of selected high-starch flours as ingredients in canine diets; 1999 (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10461997/) aufgerufen am 29.01.2023
  • Arendt: diet adaption in dog reflects spread of prehistoric agriculture, 2016, S. 303
  • Arendt: diet adaption in dog reflects spread of prehistoric agriculture, 2016, S. 719f
  • Coppinger und Coppinger, What is a dog, 2016, University of Chicago Press, S. 5
  • Coppinger und Coppinger, What is a dog, 2016, University of Chicago Press, S. 6
  • Coppinger und Coppinger, What is a dog, 2016, University of Chicago Press, S. 7
  • Coppinger und Coppinger, What is a dog, 2016, University of Chicago Press, S. 45
  • Coppinger und Coppinger, What is a dog, 2016, University of Chicago Press, S. 221
  • Morgane Ollivier et al. (2016) Amy2B copy number variation reveals starch diet adaptations in ancient European dogs. S. 160ff
  • Müller, S. Haltung und Fütterung von Jagdhunden im 16.-18. Jahrhundert Vet Med Diss, Hannover 1992
  • Ruvinsky & Sampson: The genetics of the dog, 2001
  • Universität Zürich; Dr. med. vet. Julia Fritz: Wie viel Wolf ist in meinem Hund? Konzepte von Wildheit und Natürlichkeit in der Hundefütterung (aufgerufen am 27.11.2022)
  • Vanak & Gompper: dogs canis familiaris as carnivores, 2009
  • Zentek, Ernährung des Hundes, 2020, S. 51
    Diamond J, Bellwood P . (2003). Farmers and their languages: the first expansions. Science 300: 597–603.
  • Daryl Codron, Marcus Clauss, Matt Sponheimer: Dietary Evolution – The Panda Paradox. In: Current Biology. Band 29, Nr. 11, 3. Juni 2019
  • Liesegang, Annette. Ernährungsphysiologie von Hund und Katze. Der grosse Unterschied. In: Welt der Tiere, 2/15, März 2015, 6-9 (https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/109827/1/Scan_20150309142943.pdf) aufgerufen am 28.01.2023

Über Julia Krech

Julia ist unsere Blogautorin bei veganpaws. Als leidenschaftliche Tierrechtsaktivistin beschäftigt sie sich seit über fünf Jahren mit veganer Hundeernährung und teilt auf unserem Blog ihre Erfahrungen und ihr Wissen. In ihrer Freizeit genießt sie lange Kuscheleinheiten mit ihrem Hund Emil, stöbert in soziologischen Büchern oder man findet sie auf der Tanzfläche. Hauptberuflich ist Julia als Sozialarbeiterin tätig.

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